Wie oft wünscht man sich, dass man mittelhochdeutsche Texte endlich automatisch mit Wortarten versehen kann? Bei uns lautet die Antwort: ständig. Wenn wir im Kollaborationsprojekt CRETA (https://www.creta.uni-stuttgart.de/) darüber sprechen, wie man Texte aus Bundestagsdebatten, Werther oder Adornos Ästhetischer Theorie mit linguistischen Informationen anreichern kann, fällt der Parzival oftmals mit einem etwas mitleidigen Lächeln unter den Tisch: dafür haben wir nicht die Tools, heißt es dann. Denn für das Mittelhochdeutsche funktionieren Werkzeuge, die für das moderne Deutsch trainiert wurden, erwartungsgemäß nicht besonders gut. Dies, haben wir beschlossen, kann man ändern.
Das erste, was man braucht, wenn man seinen eigenen Wortartentagger erstellen will, sind Trainingsdaten. Als wir mit unserem Vorhaben begonnen haben, war das Referenzkorpus Mittelhochdeutsch (https://www.linguistics.rub.de/rem/), das annotierte mittelhochdeutsche Daten enthält, leider noch nicht veröffentlicht. Das hätte uns damals die Arbeit etwas erleichtert. Wir haben unsere Daten also aus anderer Quelle bezogen. Bei der Mittelhochdeutschen Begriffsdatenbank (http://mhdbdb.sbg.ac.at/) wurden wir fündig. Es handelt sich hierbei zwar nicht um ein mit Wortarten annotiertes Korpus im konventionellen Sinne, aber trotzdem können uns die enthaltenen Annotationen weiterhelfen – Not macht ja bekanntlich erfinderisch. Die Wortarteninformationen, die in der Datenbank enthalten sind, operieren nur auf Ebene der Wortformen und sind losgelöst vom Kontext eines Wortes. Beispielsweise kann das Wort guot als Adjektiv, Nomen oder Adverb verwendet werden (und ist dementsprechend dreifach annotiert); ohne einen konkreten Verwendungskontext lässt sich dies nicht genauer bestimmen.
Hinzu kommt, dass nicht alle möglichen Verwendungsformen der Wörter in der Datenbank abdeckt sind: So kann z.B. daz nicht nur Artikel oder subordinierende Konjunktion sein (Satz 1), sondern auch als Relativ- (2) oder Demonstrativpronomen (3) fungieren:
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