Am 14. November 2019 fand die Abschlussveranstaltung der CLARIN-D Facharbeitsgruppen (F-AGs) in der Neuen Aula der Eberhard-Karls-Universität Tübingen statt. Mehr als 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer fanden sich in den repräsentativen Räumen der Universität zusammen, um noch einmal ein Resümee aus der jahrelangen Arbeit der F-AGs in CLARIN-D zu ziehen: Seit Projektbeginn arbeitet CLARIN-D eng mit Forschenden aus verschiedenen Wissenschaftsbereichen zusammen, weswegen es von Anfang an wichtig war, den Input durch Facharbeitsgruppen einzubeziehen. Diese dienten als Impulsgeber in ihren Communities und erstellten beispielsweise Kurationsprojekte. Bei der Abschlussveranstaltung der F-AGs war neben den Leitungen der F-AGs, den Mitarbeitenden und Ehemaligen, auch die Vertreterin des Projektträgers, Dr. Maria Böhme (DLR) anwesend, sowie die Leitungen der CLARIN-D Zentren. Während der Veranstaltung wurde einerseits ein Rückblick auf die geleistete Arbeit und andererseits ein Ausblick auf künftige Zusammenarbeit in anderen Kontexten gegeben: Die Arbeit der F-AGs ist so zentral wie auch “community driven” und die Bedarfe der Nutzenden wachsen stetig, sodass die F-AGs mit hoher Wahrscheinlichkeit an anderer Stelle und mit einem neuen Label fortgeführt werden.
Nach einer Begrüßung durch Thorsten Trippel (F-AG 6, Tübingen) folgte ein vierteiliger Abschnitt aus Retrospektive und Prospektive, der von Vertreterinnen und Vertretern der F-AGs gestaltet wurde: Zunächst eruierte Cathleen Kantner als Leiterin der F-AG 7 (Sozialwissenschaften) die Kennzeichen von Infrastrukturen im Allgemeinen, um dann im Fortgang über die Etablierung von Forschungsinfrastrukturen in den Digital Humanities im Kontext von hochinnovativen Forschungsprojekten zu sprechen. Sie hob hervor, dass durch diese Entwicklungen die aktuellen Forschungsdebatten der Fächer einbezogen seien. Die F-AGs hätten zudem Kommunikationsstrukturen und “Feedbackloops” mit den Nutzenden (gemeint sind auch die “User Communities”, von denen häufiger die Rede ist) aufgebaut. Cathleen Kantner stellte beispielhaft die Projekte PolMine und Eldentity vor: PolMine beschäftigt sich mit “Parlamentsprotokollen als öffentliche Sprachressource der Demokratie”. Bei Eldenity stehen das Sammeln und die Auswertung von Zeitungsartikeln im Mittelpunkt. Beide Projekte sind in hohem Maße anschlussfähig an die breite Forschung in den Politikwissenschaften. Frau Kantner sieht die zentrale Aufgabe für die Zukunft darin, dafür zu sorgen, dass Infrastrukturen und Nutzercommunities weiterhin gepflegt und weiterentwickelt werden.
Als nächstes sprach Nikolaus Himmelmann von der F-AG 3 (Linguistische Feldforschung, Ethnologie, Sprachtypologie). Die Daten, die in der Feldforschung gewonnen werden, so Himmelmann, seien oft von großer Komplexität, da es sich um multimodale Daten handele. Neben diesen Feldforschungsdaten beschäftigt sich die F-AG 3 aber auch mit anderen Themenbereichen, so zum Beispiel mit großen Datenbanken zu lexikalischen Sprachdaten und Strukturdaten, Textkorpora mit Glossierungen oder Hypertextgrammatiken. Nikolaus Himmelmann betonte vor allem, wie wichtig die Nachhaltigkeit von Ressourcen sei: Hier nahm er als Beispiel das Programm ELAN, das von einer Vielzahl von Personen genutzt wird und als überaus wichtig erachtet wird. Überraschenderweise würde das Programm aber nur von einer sehr geringen Anzahl von Personen tatsächlich beherrscht werden, da es sehr komplex sei. Um sicherzustellen, dass ein solches Programm eine Zukunft hat, würde viel mehr Training benötigt werden. Das Gleiche trifft auf die Archivierung von gesammelten Felddaten zu: Viele der vorhandenen Sprachdaten stammen von Sprachen, die vom Aussterben bedroht sind, und deren Datenbestände lediglich digital vorliegen. Hier müsste ein Repositoriumstyp entwickelt werden, der diese Daten weiterhin nachhaltig zugänglich macht.
Der dritte Redner war Christoph Draxler von der F-AG 5 (Gesprochene Sprache und andere Modalitäten). Er benannte als Probleme einerseits die Verlässlichkeit externer Dienste und andererseits die damit verbundene Abhängigkeit von Usern von solchen Diensten. Draxler bekräftigte seinen Vorredner Himmelmann auch noch einmal in der durch das Programm ELAN dargestellten Problematik und der Notwendigkeit von Trainingsoptionen für die Nutzenden. Er berichtete zudem aus seiner F-AG, dass immer mehr extern erstellte Sprachkorpora in das BAS (Bayerisches Archiv für Sprachsignale) aufgenommen werden, wie beispielsweise WASEP, CH-Jugend oder Tangram. In einer europaweiten Entwicklung sieht Christoph Draxler, dass immer neue Communities entstehen: So verbindet sich das BAS z.B. immer mehr mit dem Themenbereich der Oral History. Das BAS war an der Ausgestaltung von Infrastrukturen für die Oral History beteiligt, wie z.B. am Aufbau eines OH Portals als Webseite für Daten von Oral History Forscherinnen und Forschern. Dabei unterscheiden sich Oral History Daten stark von bisherigen linguistischen und phonetischen Daten, und dies führte zu neuen Herausforderungen.
Als letzte Sprecherin berichtete Julia Müller, die ehemalige Wissenschaftliche Mitarbeiterin der F-AG 2 (Andere Philologien), über die Arbeit der F-AGs und deren Nutzen aus der Perspektive einer Nachwuchsforscherin. Sie betonte die vielfältigen Angebote, die durch die F-AGs für den Nachwuchs aufgebaut worden sind: CLARIN-D bietet z.B. Korpora und Repositorien für Abschluss- oder Doktorarbeiten, oder, durch den Helpdesk von CLARIN-D, Unterstützung bei rechtlichen Fragen, wenn Forscherinnen und Forscher eigene Korpora erstellen wollen. Beim Forschungsdatenmanagement leistet CLARIN ebenso Hilfe und Unterstützung und die Auswertung der Forschungsdaten kann mithilfe von CLARIN-Werkzeugen erfolgen, zu denen es zudem auch eine Menge Schulungsmaterialien gibt. Mitglieder von CLARIN leiten zudem immer wieder Workshops zu relevanten Fragestellungen.
In einer anschließenden Poster- und Demosession gab es noch einmal die Möglichkeit, sich über die Arbeit der F-AGs zu informieren. Hier stellten Forscherinnen und Forscher und CLARIN-D-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Projekte, Tools, Sprachdaten, und Use Cases aus dem F-AG-Kosmos vor. Die untenstehende Bildergalerie stellt die Arbeiten und Personen hinter den Projekten vor.
Durch die Text+-Initiative würde zudem eine Verstetigung von Forschungsinfrastrukturen geleistet werden. (Andreas Witt)
Zum Abschluss der Veranstaltung stellte Andreas Witt (IDS Mannheim) die neue Initiative Text+ vor und die Möglichkeiten, die sich für die Weiterführung der F-AGs im Kontext einer Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) ergeben. Die NFDI ist eine zentrale digitale Infrastruktur, die derzeit im Aufbau befindlich ist, und die eine Vereinheitlichung und Verstetigung der digitalen Forschungslandschaft in Deutschland als Ziel hat. Als Vorbereitung auf die Ausschreibung der DFG zur Förderung einer solchen NFDI hat sich CLARIN-D mit dem Projekt DARIAH-DE zusammengeschlossen: hieraus ist das Projekt CLARIAH-DE entstanden. Laut Witt soll die Anbindung an die interessierten Kreise der Forschung, die die F-AGs leisteten, auch weiterhin bewahrt werden, denn die Expertinnen und Experten der F-AGs stellten mehrfach unter Beweis, dass sie erfolgreich die Bedarfe der Communities identifizierten. Die Rolle der F-AGs sieht Witt hier in den jeweiligen Scientific Coordination Committees der drei Datenbereiche digitale Sammlungen, lexikalische Ressourcen und Editionen in Text+, die sich aus Fachwissenschaftlerinnen und Fachwissenschaftlern zusammensetzen, und die gewährleisten sollen, dass die Bedarfe aus den Communities in Dienste, Werkzeuge und Services gespiegelt werden. Diese aus dem Plenum gewählten Fachwissenschaftlerinnen und Fachwissenschaftler sollen zusammen mit einer Operations Liaison jährlich die Entwicklung eines Service Portfolios bestimmen. Deren technische Umsetzung und nachhaltige Implementierung soll dann von spezifischen und generischen Infrastrukturen gemeinsam durchgeführt werden. Durch die Text+-Initiative würde zudem eine Verstetigung von Forschungsinfrastrukturen geleistet werden.
Diese Abschlussveranstaltung hat noch einmal die vergangenen Leistungen der CLARIN-D F-AGs und aller Beitragenden für die Forschungsinfrastruktur und die Nutzenden ans Licht gebracht. Der Blick in die Zukunft bleibt für die Anwesenden also nicht verdunkelt, und mit viel Geschick und Engagement, so sind sich die Teilnehmenden sicher, können auch zukünftig weiterhin Dienste und Services für die Digitale Geisteswissenschaft im Rahmen von einer NFDI vorangetrieben werden.
Somit danken wir allen Beteiligten für die geleistete Arbeit, die investierte Zeit, und die Motivation, mit der sie sich in den F-AGs eingesetzt haben, und hoffen auf ein baldiges Wiedersehen! (Das CLARIN-D Team)
Die CLARIN-D Facharbeitsgruppen im Überblick mit ihren vielfältigen Angeboten während der Poster- und Demosession in Tübingen:
Facharbeitsgruppe 1: Deutsche Philologie
Postertitel:
- CLARIN-D Angebote für GermanistInnen
- A Virtual Library of Use Case Documentation: Media Formats – Documentation Scheme – Dissemination
- Language Data: Curation Projects and Integration Scenarios
- How CLARIN can support a PhD thesis
Facharbeitsgruppe 2: Andere Philologien
Postertitel:
- Create your own corpus – with WebLicht
- Enhancing European parliamentary data for Digital Humanities research: The role of CLARIN and a Hansard case study
Facharbeitsgruppe 3: Linguistische Feldforschung, Ethnologie, Sprachtypologie
Postertitel:
- Introducing the CLARIN Knowledge Centre for Linguistic Diversity and Language Documentation
- Optimizing Interoperability of Language Resources with the Upcoming IIIF AV Specifications
Facharbeitsgruppe 4: Menschliche Sprachverarbeitung, Psycholinguistik und Kognitionspsychologie
Postertitel:
Facharbeitsgruppe 5: Gesprochene Sprache und andere Modalitäten
Postertitel:
- Workflow gesprochene Sprache
Facharbeitsgruppe 6: Computerlinguistik und Angewandte Sprachwissenschaft
Postertitel:
- Community-driven tools and resources
- Beyond WebAnno: The INCEpTION Text Annotation Platform
Facharbeitsgruppe 8: Geschichtswissenschaften
Postertitel:
Über diesen Blogpost |
Die Verfasserinnen: |
Melanie Grumt Suárez: Wissenschaftliche Mitarbeiterin im CLARIN-D Koordinationsbüro Tübingen seit Mai 2019, zuvor F-AG 1 Mitarbeiterin JLU Gießen. Dr. Nathalie Walker: Wissenschaftliche Mitarbeiterin im CLARIN-D Koordinationsbüro Tübingen; verantwortlich für die englischsprachige Übersetzung. |
Über CLARIN-D |
Was ist CLARIN-D? Website: https://www.clarin-d.net/de/ Twitter: @CLARIN_D CLARIN-D Blog: https://www.clarin-d.net/de/blog-clarin-d Wissenschaftlicher Koordinator CLARIN-D: Prof. Dr. Erhard Hinrichs |
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